Wissen ist eine der wichtigsten Ressourcen moderner Organisationen. Doch das bloße Vorhandensein von Wissen reicht nicht aus, um Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Erst durch den systematischen Austausch, also den Wissenstransfer zwischen Individuen, Teams und Abteilungen, entfaltet Wissen sein volles Potenzial. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Unternehmenskultur. Sie entscheidet mit darüber, ob Wissen frei fließt oder in Silos stecken bleibt. Doch wie genau beeinflusst die Unternehmenskultur den Wissenstransfer? Und wie können Unternehmen eine Kultur schaffen, die Wissen begünstigt? Dieser Beitrag geht diesen Fragen auf den Grund.
Wissenstransfer: Mehr als nur Informationsweitergabe
Wissenstransfer bezeichnet die Weitergabe von Wissen innerhalb oder zwischen Organisationen. Dabei geht es nicht nur um das Versenden von Dokumenten oder das Abhalten von Meetings, sondern um das Teilen von Erfahrungen, Kontextwissen und implizitem Know-how. Vor allem letzteres ist schwer zu fassen und noch schwerer zu übertragen. Gerade hier setzt die Unternehmenskultur an: Sie schafft die Rahmenbedingungen, unter denen Vertrauen, Offenheit und Lernbereitschaft gedeihen können.
Vertrauen als Fundament
Ein zentraler Faktor, der durch Unternehmenskultur geprägt wird, ist Vertrauen. Mitarbeitende müssen sich sicher fühlen, ihr Wissen zu teilen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. In einer Kultur des Misstrauens hingegen behalten Mitarbeitende ihr Wissen lieber für sich, aus Angst, ersetzbar zu werden oder sich angreifbar zu machen. Vertrauen entsteht nicht über Nacht. Es entwickelt sich durch transparente Kommunikation, die Einlösung von Zusagen und durch eine Fehlerkultur, die nicht auf Schuld, sondern auf Lernen setzt (Nonaka und Takeuchi, 1995).
Fehlerkultur und psychologische Sicherheit
Fehler sind ein unvermeidlicher Teil jeder Lernkultur. Eine offene Fehlerkultur, in der Irrtümer nicht sanktioniert, sondern als Lernchancen betrachtet werden, fördert die psychologische Sicherheit. Diese wiederum ist eine wichtige Voraussetzung für Wissenstransfer. Wer sich sicher fühlt, stellt Fragen, äußert Zweifel und gibt Wissen weiter, auch wenn es noch nicht perfekt erscheint. Google hat in einer groß angelegten Studie zur Teamleistung festgestellt, dass psychologische Sicherheit der wichtigste Erfolgsfaktor für Hochleistungsteams ist (Rozovsky, 2015).
Hierarchie vs. Partizipation
Auch der Führungsstil, als Ausdruck der Unternehmenskultur, hat Einfluss auf den Wissenstransfer. In stark hierarchischen Strukturen wird Wissen oft als Machtquelle gehütet. Informationen fließen nur selektiv und von oben nach unten. In partizipativen Kulturen hingegen wird Wissen geteilt, um gemeinsam bessere Lösungen zu finden. Führungskräfte agieren hier nicht als Wissenswächter, sondern als Ermöglicher und Moderatoren von Lernprozessen. Sie schaffen Räume für Austausch, fördern interdisziplinäre Zusammenarbeit und leben Offenheit vor.
Kommunikationskultur und Feedback
Eine Unternehmenskultur, die Wissenstransfer fördern will, braucht eine aktive Kommunikationskultur. Regelmäßiges Feedback, kurze Abstimmungen, Lernformate wie Retrospektiven oder Lessons Learned tragen dazu bei, Wissen im Fluss zu halten. Gleichzeitig muss die Organisation dafür sorgen, dass informelle Kommunikation nicht untergeht. Gerade in hybriden Arbeitskontexten, in denen Kaffeeküchengespräche seltener werden, braucht es neue Formate für spontane Begegnungen und zufälligen Wissensaustausch.
Kulturelle Diversität als Ressource
Vielfalt in Teams bringt verschiedene Perspektiven und Erfahrungen zusammenund ist somit ein Nährboden für Innovation. Doch Diversität allein reicht nicht. Sie muss durch eine inklusive Kultur gestützt werden, die Unterschiede nicht nur toleriert, sondern aktiv einbindet. Eine solche Kultur erkennt an, dass Wissen viele Gesichter hat und dass der Austausch über kulturelle und disziplinäre Grenzen hinweg besonders wertvoll ist. Interkulturelle Sensibilität, Sprachkompetenz und ein Bewusstsein für unbewusste Vorurteile sind dabei zentrale Bausteine (Schein, 2010).
Technologie ist nicht genug
Oft wird angenommen, dass digitale Tools den Wissenstransfer automatisch verbessern. Doch ohne die passende Kultur bleiben sie leere Hüllen. Ein Wiki wird nicht genutzt, wenn Mitarbeitende ihre Beiträge nicht wertgeschätzt sehen. Eine Kollaborationsplattform bleibt stumm, wenn das Teilen von Wissen nicht zum Alltag gehört. Technologie kann Wissenstransfer unterstützen, aber sie ersetzt keine Kultur des Teilens. Vielmehr muss sie in eine Kultur eingebettet sein, die Partizipation, Transparenz und Lernen fördert.
Die Rolle der Personalentwicklung
Um eine wissensorientierte Unternehmenskultur zu etablieren, braucht es gezielte Maßnahmen in der Personalentwicklung. Trainings zu Kommunikation, Feedback und interkultureller Kompetenz sind ebenso wichtig wie die Förderung von Lernformaten, Mentoringprogrammen und Communities of Practice. Kulturveränderung beginnt mit Haltung, zeigt sich im Verhalten und wird durch Strukturen gestützt. Hier kommt der strategische Blick der Personalentwicklung ins Spiel: Sie kann kulturelle Leitplanken setzen und Wissenstransfer als Ziel in Entwicklungsprogramme integrieren.
Messbarkeit und Kulturdiagnose
Auch wenn Unternehmenskultur schwer greifbar ist, lässt sie sich beobachten, messen und weiterentwickeln. Mitarbeiterbefragungen, Netzwerkanalysen oder Kulturassessments liefern Hinweise darauf, wo Wissen stockt oder fließt. Wichtig ist, dass solche Analysen nicht in der Schublade verschwinden, sondern in Veränderungsprozesse münden. Kulturarbeit ist kein Projekt mit Enddatum, sondern ein kontinuierlicher Prozess.
Wissensbarrieren erkennen und abbauen
Nicht jede kulturelle Hürde ist auf den ersten Blick erkennbar. Oft sind es unausgesprochene Regeln, eingeschliffene Rituale oder informelle Machtstrukturen, die den Wissenstransfer behindern. Eine bewusste Auseinandersetzung mit solchen Barrieren ist notwendig, um Räume für neues Denken und Teilen zu schaffen. Führungskräfte sind hier besonders gefragt: Sie können durch ihr Verhalten implizite Normen sichtbar machen und aktiv verändern.
Storytelling als kulturelles Element
Wissen wird nicht nur über Datenbanken oder Checklisten weitergegeben. Geschichten spielen eine zentrale Rolle im informellen Wissenstransfer. Sie transportieren Werte, Erfahrungen und Kontextwissen, das in reinen Fakten oft verloren geht. Eine Unternehmenskultur, die Storytelling wertschätzt, schafft emotionale Anker für Lernen und gemeinsame Identität. So wird Kultur nicht nur beschrieben, sondern gelebt.
Fazit: Kultur frisst Wissen zum Frühstück – oder eben nicht
Der Einfluss von Unternehmenskultur auf den Wissenstransfer ist tiefgreifend. Vertrauen, Offenheit, psychologische Sicherheit, Kommunikationsfreude und Partizipation sind keine netten Extras, sondern essenzielle Rahmenbedingungen. Eine Kultur, die diese Werte verkörpert, schafft nicht nur den Nährboden für Wissenstransfer, sondern fördert Innovation, Lernfähigkeit und nachhaltigen Unternehmenserfolg. Unternehmen, die ihre Kultur aktiv gestalten, investieren damit direkt in ihre Zukunftsfähigkeit.
Was wir bei der Eonar GmbH dafür tun können
Bei der Eonar GmbH verstehen wir Unternehmenskultur nicht als weichen Faktor, sondern als strategischen Hebel. Wir unterstützen Organisationen dabei, kulturelle Barrieren für Wissenstransfer zu erkennen und gezielt zu überwinden. Durch fundierte Kulturdiagnosen, interaktive Lernformate und maßgeschneiderte Change-Ansätze begleiten wir unsere Kundinnen und Kunden auf dem Weg zu einer lebendigen Wissenskultur. Unser interdisziplinäres Team bringt dabei Expertise aus Organisationsentwicklung, Wissensmanagement und Bildungspsychologie zusammen. Denn nur wenn Kultur und Struktur Hand in Hand gehen, kann Wissen seine ganze Wirkung entfalten.
Autor: Jana-Larissa Grzeszkowiak
Referenzen
Nonaka, I. und Takeuchi, H. (1995): The Knowledge-Creating Company. Oxford: Oxford University Press
Rozovsky, J. (2015): The five keys to a successful Google team. Re:Work. https://rework.withgoogle.com/blog/five-keys-to-a-successful-google-team/
Schein, E. H. (2010): Organizational Culture and Leadership. San Francisco: Jossey-Bass