Wer schon einmal eine neue Softwarelösung im Unternehmen eingeführt hat, kennt das Phänomen: Die Anfangsphase ist mühsam. Es dauert, bis sich die Mitarbeitenden zurechtfinden, Fragen häufen sich, Fehler schleichen sich ein. Dies ist mit einem entsprechend hohen Ressourcenaufwand verbunden. Doch je häufiger das Tool im Alltag eingesetzt wird, desto routinierter wird der Umgang damit. Aufgaben gehen schneller von der Hand, Prozesse laufen reibungsloser, die Kosten sinken. Dieser Entwicklung liegt ein bekanntes wirtschaftliches Prinzip zugrunde: Economies of Learning, auch als Lern- oder Übungseffekte bezeichnet.
Was genau versteht man unter Economies of Learning?
Economies of Learning beschreiben die zunehmende Effizienz durch Wiederholung: Je öfter eine bestimmte Tätigkeit ausgeführt wird, desto sicherer, schneller und kostengünstiger wird sie bewältigt. Die zugrunde liegende Idee ist, dass Erfahrung nicht nur Kompetenz steigert, sondern auch messbar zur Reduktion der durchschnittlichen Kosten beiträgt (Argote, 1999). Besonders im Kontext von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen wird dieser Zusammenhang greifbar: Wissen, das regelmäßig zur Anwendung kommt, festigt sich besser und der Schulungsaufwand sinkt langfristig.
Die Lernkurve: ein Modell mit Geschichte
Der Effekt ist keineswegs neu. Bereits in den 1930er-Jahren analysierte Theodore P. Wright die Produktionskosten in der Luftfahrt und stellte fest: Mit jeder Verdopplung der Produktionsmenge sanken die Stückkosten um einen konstanten Anteil (Wright, 1936). Diese Beobachtung mündete in das heute bekannte Konzept der Lernkurve, das seither in zahlreichen Branchen Anwendung findet; von der industriellen Fertigung bis zur Digitalisierung von Verwaltungsprozessen.
Die zentrale Aussage: Erfahrung wirkt kostensenkend. Die erste Ausführung ist stets am aufwendigsten. Mit zunehmender Übung nehmen sowohl Fehleranfälligkeit als auch Bearbeitungszeit ab: ein Effekt, der sich direkt auf die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen auswirkt.
Praxisnahes Beispiel: Einführung neuer Technologien
Ein anschauliches Beispiel: Ein Unternehmen führt ein modernes Tool zur internen Zusammenarbeit ein. Anfangs sind zahlreiche Schulungen nötig. Die Produktivität sinkt kurzfristig. Doch mit jeder weiteren Nutzung steigt das Verständnis; Fehler werden seltener und Aufgaben schneller gelöst. Die investierte Lernzeit amortisiert sich, und am Ende steht ein optimierter Prozess mit geringeren Kosten (Bresman, 2010).
Doch dieser Effekt gilt nicht nur für IT-Lösungen. Auch bei der Einführung agiler Methoden, im Onboarding neuer Mitarbeitender oder bei der Umstellung auf nachhaltige Produktionsweisen sind Lernprozesse ein zentraler Erfolgsfaktor. Organisationen, die das erkennen, entwickeln gezielt ihre Lernkompetenz weiter und sichern sich so einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Lernen braucht Struktur: Feedback als Schlüssel
Übung allein genügt nicht. Entscheidend ist, wie gelernt wird. Ein zentraler Bestandteil erfolgreicher Lernprozesse ist systematisches Feedback. Der Bildungsforscher David Kolb hat diesen Prozess in einem Modell dargestellt, das Lernen als zyklischen Ablauf beschreibt: aus Erfahrung, Beobachtung, Verallgemeinerung und aktiver Anwendung (Kolb, 1984).
Dieser sogenannte Lernzyklus macht deutlich: Erst wenn auf eine konkrete Handlung eine bewusste Reflexion folgt, z. B. durch kollegiales Feedback oder Coaching, entsteht tiefes Verständnis. Unternehmen, die Raum für solche Rückkopplungen schaffen, können Lerneffekte nicht nur beschleunigen, sondern auch nachhaltiger machen.
Geringere Zusatzkosten durch Erfahrung: das Prinzip der Marginalkosten
Ein verwandter wirtschaftlicher Begriff, der eng mit Lernprozessen zusammenhängt, ist der der marginalen Kosten. Also der zusätzlichen Kosten, die für eine weitere Produktionseinheit entstehen (Varian, 2010). In erfahrenen Teams oder bei geübten Prozessen fallen diese deutlich geringer aus, da kein zusätzlicher Einarbeitungsaufwand notwendig ist.
Beispiel: Ein Vertriebsteam hat bereits erfolgreich ein neues CRM-System in einem Markt eingeführt. Bei der Expansion in weitere Regionen können die bestehenden Kenntnisse wiederverwendet werden mit nur minimalem Zusatzaufwand. Ähnliches gilt in der Industrie: Die Einrichtung einer komplexen Maschine dauert beim ersten Mal womöglich Stunden, beim zweiten Mal nur noch einen Bruchteil, dank vorherigem Lerngewinn.
Die Synergie von Lern- und Erfahrungskurven
Lernkurven greifen besonders gut, wenn sie mit Erfahrungswissen kombiniert werden. Die Grafik illustriert diesen Effekt: Je mehr Wissen aufgebaut wird, desto günstiger wird der Erwerb zusätzlichen Wissens. Oder anders gesagt: Wissen wirkt exponentiell: einmal erlernt, kann es auf immer neue Kontexte angewendet werden.
Abbildung 1 Die Synergie von Lern- und Erfahrungskurve: Je mehr, desto weniger!

(Quelle: towards data science, 2025)
Die Kurven zeigen, dass die Kosten zu Beginn der Ausführung einer Aufgabe am höchsten sind und mit jeder weiteren Ausführung abnehmen.
Je mehr Wissen erworben wird, desto geringer werden die Kosten für zusätzliches Wissen. (Wright, 1936)
Das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Organisationen und technische Systeme: Software wird mit jeder Iteration besser, Prozesse werden schlanker, Entscheidungen fundierter. Diese Synergie von Lernen und Erfahrung ist ein zentraler Hebel für Innovationsfähigkeit, insbesondere in schnelllebigen Märkten. Organisationen, die diesen Effekt bewusst nutzen, können schneller skalieren, Innovationen zügiger zur Marktreife bringen und neue Märkte effektiver erschließen.
Organisationen lernen anders – aber nicht automatisch besser
Wichtig ist: Economies of Learning entstehen nicht nur auf individueller Ebene. Auch ganze Organisationen können lernen, indem sie Wissen systematisch aufbereiten, weitergeben und anwenden. Dieser sogenannte organisationale Lernprozess ist essenziell, um Erfahrungswissen im Unternehmen zu halten, unabhängig von Personalfluktuation oder Standort.
Wesentliche Bausteine dafür sind:
- Standardisierung: Einheitliche Prozesse und Templates schaffen Wiedererkennung und sparen Einarbeitungszeit.
- Dokumentation: Erfahrungen werden nicht „verloren“, sondern in zugänglichen Formaten archiviert.
- Peer Learning & Mentoring: Mitarbeitende lernen voneinander statt isoliert.
- Digitale Lernplattformen: Moderne Tools unterstützen flexible, bedarfsgerechte Weiterentwicklung.
- Fehlerkultur: Eine offene Haltung gegenüber Irrtümern fördert echtes Lernen.
Organisationen, die dies ganzheitlich angehen, verwandeln sich in lernende Systeme, die kontinuierlich effizienter und anpassungsfähiger werden.
Wissenswachstum mit Nebenwirkung: exponentieller Nutzen
Ein Blick auf aktuelle Forschung zeigt: Je mehr Wissen bereits vorhanden ist, desto kostengünstiger wird der Zuwachs weiteren Wissens. Dieser „Skalierungseffekt“ zeigt sich eindrucksvoll in einer Analyse aus dem Bereich erneuerbare Energien (Towards Data Science, 2025): Technologien wie Wind- und Solarenergie werden nicht nur durch technologische Innovation günstiger, sondern vor allem, weil Lernkurven ihre Effizienz steigern.
Diese Dynamik lässt sich auf viele Unternehmensbereiche übertragen: Wer Erfahrungswissen bewusst nutzt und skalierbar macht, kann Innovationen schneller realisieren, Prozesse kostengünstiger umstellen und neue Märkte mit geringerem Risiko erschließen.
Was bedeutet das konkret – und wie unterstützt Eonar dabei?
Der gezielte Umgang mit Lernprozessen entscheidet heute mehr denn je über den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens. Wer Lernkurven erkennt, bewusst nutzt und gezielt beschleunigt, sichert sich messbare Vorteile in Effizienz, Qualität und Innovationsfähigkeit.
Genau an dieser Stelle kommt die Eonar GmbH ins Spiel.
Unser Fokus liegt auf der Gestaltung zukunftsfähiger Lernumgebungen. Wir verstehen Lernen als strategischen Faktor – nicht als Nebenprodukt. Mit psychologisch fundiertem Know-how, innovativen Tools und tiefem Verständnis organisationaler Prozesse helfen wir Unternehmen dabei:
- Lernpotenziale systematisch zu identifizieren
- Wissensprozesse messbar zu machen und zu optimieren
- Nachhaltige Lernkulturen zu etablieren
- Technologie, Didaktik und Strategie zu verbinden
- Veränderungsvorhaben lernorientiert umzusetzen
Wir entwickeln Lösungen, die Übung nicht nur ermöglichen, sondern wirtschaftlich sinnvoll machen. Und wir begleiten Organisationen dabei, Lernen als Haltung zu leben.
Referenzen
Argote, L. (1999). Organizational learning: Creating, retaining and transferring knowledge. Kluwer Academic Publishers.
Bresman, H. (2010). Changing routines: A process model of vicarious learning in pharmaceutical R&D. Academy of Management Journal, 53(3), 561–582.
Kolb, D. A. (1984). Experiential learning: Experience as the source of learning and development. Prentice Hall.
Towards Data Science (2025). Learning curve effect on the global variable renewable energy deployment. Insight Media Group, LLC.
https://towardsdatascience.com/learning-curve-effect-on-the-global-variable-renewable-energy-deployment-73d1e28da390/
Varian, H. R. (2010). Intermediate microeconomics: A modern approach. W.W. Norton & Company.
Wright, T. P. (1936). Factors affecting the cost of airplanes. Journal of Aeronautical Sciences, 3(2), 122–128.
Autorin: Jana-Larissa Grzeszkowiak